Wie schön wäre es, wenn man sich im Gebäude genauso navigieren lassen könnte, wie im Auto durch Google Maps? In Zeiten von Corona könnten damit nicht nur Staus, sondern auch überfüllte Gänge „umfahren“ werden. Im Supermarkt würde einem das Smartphone zeigen, wo denn noch die letzte Rolle Toilettenpapier steht. Ganz ohne die Suche nach dem nächsten Verkäufer. Nicht nur in Zeiten von Social Distancing wäre das praktisch. In vielen Bereichen wäre eine Indoor Navigation sinnvoll und es gibt auch bereits einige Anbieter, allerdings konnte sich noch keiner richtig am Markt durchsetzen. Warum? In diesem Beitrag werden die Schwierigkeiten und Limitierungen bestehender Systeme aufgezeigt und eine neue und vielversprechende Alternative dazu vorgestellt.

Gleiches System nur anders Vermarktet

Siemens stellte 2018 ein Indoor Positioning System vor, mit dem eine Ortung auf wenige Meter genau ermöglicht werden soll. Als ein möglicher Einsatzort des Systems wurden Krankenhäuser aufgezählt, da Patienten und medizinische Geräte im Klinikalltag mehrmals ihren Standort wechseln können. Um dennoch den Überblick zu behalten sollen Patienten und Objekte jeweils mit einem „Locator Tag“ ausgestattet werden, der anhand umliegender Bluetooth Signale die errechnete Position an einen Server sendet.

Infsoft bietet bereits seit 2005 Lösungen im Bereich Indoor Navigation. Dabei werden auch hier unterschiedliche Use Cases vorgestellt, unter anderem die Produktsuche und intelligente Navigation innerhalb eines Supermarkts. Dafür installieren Kunden eine App auf ihrem Smartphone, das ebenfalls anhand der empfangenen Signalstärken umliegender Bluetooth Beacons die ungefähre Position des Kunden im Raum bestimmten kann.

Das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen gründete 2008 die awiloc® Allianz. Zusammen mit Partnern aus der Industrie, Forschungseinrichtungen und Anwendern wird an einer Lokalisierungstechnik gearbeitet, die eine auf einige Meter genaue Positionsbestimmung bieten soll. Eines der Referenzprojekte ist dabei die Installation der Software im Focke Museum in Bremen. Dort werden Zusatzinformationen und Hintergrundgeschichten zu Exponaten abhängig von der Position des Besuchers bereitgestellt. Die vorinstallierte Museum App erkennt ebenfalls anhand der umliegenden Bluetooth Beacons, in welchem Ausstellungsraum sich der Besucher aktuell befindet.

Abb. 1: Durch Indoor Positionsbestimmung könnten Hintergrundinformationen zu Exponaten und anderen Ausstellungsgegenständen geliefert werden. (Photo by Pixabay from Pexels)
Abb. 1: Durch Indoor Positionsbestimmung könnten Hintergrundinformationen zu Exponaten und anderen Ausstellungsgegenständen geliefert werden. (Photo by Pixabay from Pexels)

Die Einsatzszenarien sind bei den drei vorgestellten Systemen vielfältig und sie bieten dafür eine übereinstimmende, metergenaue Positionsbestimmung. Die Genauigkeit der Systeme ist deshalb so ähnlich, da hinter allen drei Systemen (und einer Vielzahl anderer) das gleiche Prinzip verwendet wird: Fingerprints.

Alte Technik in neuem Gewand

Die Idee des Fingerprint Verfahrens existiert bereits seit den frühen 2000ern und besteht im Allgemeinen aus zwei Teilen: Die Beacons, die Signale senden, und der Empfänger, der deren Signalstärke misst. Prinzipiell genügt es dabei die bereits vorhandenen Strahlungsquellen, z. B. WLan-Router oder auch die Magnetfeldstärke in mehreren Räumen mit dem Empfänger zu messen. Durch Wände und Gegenstände im Raum werden die Signalstärken der Beacons unterschiedlich stark beeinflusst, so dass der gemessene Wert in jedem Raum einzigartig und zuweisbar ist, ähnlich wie bei einem Fingerabdruck (engl. Fingerprint) beim Menschen. Somit muss lediglich der Fingerabdruck eines jeden Raumes im Gebäude gespeichert werden und anschließend kann der Empfänger die umliegenden Signalstärken mit den hinterlegten Daten vergleichen und die Position bestimmen.

Um die Genauigkeit des Systems zu erhöhen, werden zusätzliche Beacons in regelmäßigen Abständen an der Decke des Gebäudes verteilt. Mit den zusätzlichen Strahlungsquellen können die „Merkmale“ der Fingerprints erhöht und robuster gengenüber äußeren Einflüssen gemacht werden. Denn die empfangen Signalstärken können u. A. von vorbeilaufenden Personen, der Position des Sensors im Empfangsgerät oder vom Sensors selbst abhängen sein. Der Indikator für die Signalstärke, RSSI (Reccived Signal Strenght Indicator), wird in dBm (Dezibel Milliwatt) angegeben. Dabei ist definiert, dass ein höherer Wert ein besseren Emfpang gleichzusetzen ist, allerdings ist die Berechnung des Wertes nicht standardisiert. Daher können unterschiedliche RSSI Wert an der gleichen Position ausgegeben werden, wenn bei der Messung Sensoren verschiedener Hersteller verwendet wurden.

Um den genannten Problemen zu entgegnen, wird in aktuellen Systemen neben mehr Beacons auch Maschine Learning eingesetzt. Die gemessenen RSSI Werte werden nicht verglichen, sondern es wird versucht, ihnen durch einen entsprechenden Algorithmus einen bestimmten Raum zuzuweisen. Durch das Training mit unterschiedlichen Geräten und mehreren Messungen soll das System trotz Schwankungen bei den Messungen die richtige Position bestimmen können.

Abb. 2: Veranschaulichung des Fingerprint Systems anhand dreier Beacons mit einem Abstand von 7 Metern. Die Signalstärken variieren in jedem Raum und bilden in der Kombination einen einmaligen Fingerprint.
Abb. 2: Veranschaulichung des Fingerprint Systems anhand dreier Beacons mit einem Abstand von 7 Metern. Die Signalstärken variieren in jedem Raum und bilden in der Kombination einen einmaligen Fingerprint.

Doch trotz der Möglichkeiten von Machine Learning und den unzähligen wissenschaftlichen Arbeiten bezüglich Positionsbestimmung mittels Fingerprinting sind die erzielten Resultate ernüchternd. 2017 lag die durchschnittliche Genauigkeit der darauf basierenden Systeme bei der Microsoft Indoor Localization Competition, einem Wettbewerb für Indoor Positionsbestimmung unter realen Umständen, zwischen 5,6 und 8,4 Meter. Je nach Anwendungsfall durchaus ausreichend, allerdings ist dabei der Begriff der metergenauen Positionsbestimmung mit Vorsicht zu genießen.

Neue Lösung für altes Problem?

Das könnte sich allerdings mit der Einführung von IEEE 802.11-2016 (auch 802.11mc und von Google WiFi RTT genannt), einem neuen WLAN Standard, ändern. Er wurde 2016 entwickelt und anschließend von der WiFi Alliance als neues Zertifikat aufgenommen, so dass Hersteller seither ihre Produkte unter dem WiFi CERTIFIED Location™ Zertifikat vermarkten können. Der Standard legt fest, dass Geräte das FTM Protokoll implementieren und somit neue Möglichkeiten in der Indoor Positionsbestimmung bieten.

Dabei steht FTM für Fine Time Measuring und ermöglicht es, vereinfacht gesagt, die Dauer zwischen dem Senden und Empfangen eines Pakets zwischen zwei Geräten möglichst genau zu bestimmen. Dafür wird mehrmals hintereinander ein FTM Paket vom Sender zum Empfänger und wieder zurück geschickt, wobei jeweils ein Timestamp erstellt wird. Daraus lässt sich nicht nur die vergangene Zeit zwischen Senden und Empfangen, sondern auch die Strecke zwischen Sender und Empfänger berechnen.

Abb. 3: Ablauf einer Messreihe mittels FTM Protokoll. Bei jedem Abschicken und Empfangen der Pakete wird ein Timestamp (T1-4) festgehalten. Anschließend werden die fehlenden Werte dem Sender übermittelt, woraus sich die Dauer ermitteln lässt.
Abb. 3: Ablauf einer Messreihe mittels FTM Protokoll. Bei jedem Abschicken und Empfangen der Pakete wird ein Timestamp (T1-4) festgehalten. Anschließend werden die fehlenden Werte dem Sender übermittelt, woraus sich die Dauer ermitteln lässt.

Aufgrund der hohen Geschwindigkeit der Pakete, annähernd Lichtgeschwindigkeit, müssen die Timestamps möglichst Präzise sein. Bereits ein Fehler von einer Nanosekunde in der errechneten Dauer, resultiert in einer Abweichung von 30 cm. Dennoch, der Aufwand lohnt sich. Durch das Berechnen der Distanz zwischen Geräten bietet sich eine neue Möglichkeit im Bereich der Indoor Navigation mit einem System, welches vergleichbar zu GPS ist.

Durch einen internationalen Standard werden Unterschiede zwischen Herstellern und somit abweichende Messergebnisse eliminiert. Außerdem muss keine zusätzliche Hardware gekauft und gewartet werden, die ausschließlich für die Positionsbestimmung bestimmt ist. Des weiteren ist es möglich, die Distanz zu Routern zu bestimmen, ohne sich dabei im gleichen Netzwerk zu befinden. Jedoch der größte Vorteil liegt in der potenziellen Genauigkeit bei der Positionsbestimmung, da diese nicht auf den Abgleich von Messungen und hinterlegten Daten angewiesen ist. Mithilfe von Trilateration, einem Verfahren zur Positionsbestimmung anhand Abstandsmessungen zu mehreren Punkten, kann die Position im Raum auf einen Radius von 1 bis 2 Metern eingegrenzt werden.

Wann kann ich mich damit durch die Gänge navigieren lassen?

Seit der Vorstellung des Standards hat sich bereits viel getan: Es haben bereits Namenhafte Hersteller u. A. Broadcom, Qualcomm und Intel eine WiFi CERTIFIED Location™ Zertifizierung einiger ihrer Produkte vorgenommen und unterstützen somit das FTM Protokoll. Google hat auf ihrer Entwicklerkonferenz I/O 2018 angekündigt, dass alle Google Mesh Router das Protokoll durch ein Firmware Update ebenfalls unterstützen sollen, sowie die Smartphones der Pixel Serie. Außerdem wurde mit Android 9 eine API bereitgestellt, mit der die Distanz zu allen unterstützten Routern in der Umgebung abgefragt werden kann.

Auch wenn noch nicht alle Hersteller kompatible Geräte bereitstellen und sich die Technik gerade erst verbreitet, haben wir bei PIXEL bereits Erfahrungen mit einem intern entwickelten Prototypen sammeln können. Im Vergleich zu getesteten fingerprintbasierten Systemen konnte die Technik nicht nur mit einer durchschnittlichen Abweichung von 2,4 Metern gegenüber den 5,6 Metern eines vergleichbaren fingerprintbasierten Systems überzeugen. Da auch das zeitintensive Sammeln von Trainingsdaten entfiel, wurde die Inbetriebnahme deutlich erleichtert.

Trotz der besseren Ergebnisse bei der Positionsbestimmung und der Unterstützung von Google und anderen Herstellern bleiben Probleme bei der Kompatibilität. Solange ein Großteil der Smartphones die Distanzbestimmung nicht unterstützt, sind fingerprintbasierte Systeme eine kostengünstige Möglichkeit zur Indoor Positionsbestimmung. Allerdings handelt es sich dabei auch nur um eine Vorhersage die mit einer Abweichung von mehreren Metern verbunden ist.

Einen tieferen Einblick in fingerprintbasierte Verfahren und der Funktionsweise von der Positionsbestimmung mittels Distanzberechnung gebe ich in meiner Expert Session "Indoor Positionsbestimmung". Darin werden auch die von uns evaluierten Softwarelösungen und der dazugehörige Versuchsaufbau vorgestellt.